Sehr geehrter Herr Bürgermeister, lieber Lothar, sehr geehrte Damen und Herren!
Mitunter hilft es in schwierigen Situationen einen Blick zurück zu werfen, um zu sehen, woher man gekommen ist.
Also habe ich zur Vorbereitung dieser Rede zunächst einmal in der Vergangenheit gekramt. In den alten Haushaltsreden fand ich die folgende Auswahl von treffenden Formulierungen zu unserem heutigen Thema:
2003: Abrutsch in die Haushaltssicherung
2008: die Zeit der Haushaltssicherung ist vorbei
2009: und nun schon wieder sparen?
2010: unsere Städte geraten in einen finanziellen Zangengriff
2011: man spürt, der Kollaps kommt offensichtlich näher
2012: Es gibt kaum nennenswerte Spielräume für Gestaltung in unserem kommunalen Haushalt in Rhede. Sparen und Schuldenabbau ist das Gebot der Stunde.
2013: Sparen und Schuldenabbau bleibt das Gebot der Stunde. Die Pflichtaufgaben drücken und freiwillige Leistungen können in immer geringerem Umfang übernommen werden. Die verringerten Schlüsselzuweisungen fordern ihren Tribut.
Und für 2014 könnte man
- angesichts der dramatisch gesunkenen Schlüsselzuweisungen,
- angesichts der strukturellen Unterfinanzierung,
- angesichts der Ferne eines echten Haushaltsausgleichs,
- angesichts der ausbleibenden Hilfen von Bund und Land
wutentbrannt und desillusioniert sagen:
Wir machen die Bücher zu, stellen den Betrieb ein und schieben die Verantwortung ab nach Düsseldorf.
Seit über einem Jahrzehnt immer wieder sparen, zusammenstreichen, abspecken, konsolidieren usw. und immer wieder leere Versprechungen aus Berlin und Düsseldorf zur Neuregelung des Finanzausgleichs.
Noch nie empfand ich Hauhaltsberatungen so schwierig, wie in diesem Jahr.
Ich sage ihnen ganz ehrlich, wenn man den Eindruck hat, nur noch zwischen Pest und Cholera wählen zu können, da kann einen schon der Frust packen.
Ach wie schön war es, als es noch eine „freie Spitze“ gab, über deren Verwendung man mit den anderen Fraktionen verhandeln konnte. Das war die hohe Zeit der „Schönwetterpolitiker“.
Nun haben wir allerdings eine „Schlechtwetterperiode“ vor der Brust.
Jetzt gilt es nicht zu resignieren, sondern sich der Aufgabe zu stellen und die verbliebenden Möglichkeiten zu sortieren.
Denn der Patient, sprich die Stadt Rhede, lebt, wie der Bürgermeister in seiner Haushaltsvorstellung sagte.
Im Mittelpunkt unserer Beratungen standen folgende Fakten:
- der dramatische Rückgang der Schlüsselzuweisungen
- das andauernde Defizit im Verwaltungshaushalt
- das ambitionierte, aber notwendige Investitionsprogramm
- der Anstieg der Verschuldung im „Konzern Stadt“
Fragen über Fragen taten sich auf:
- Wo kann man weitere Einsparungen realisieren?
- Ist noch Entwicklung möglich?
Sind die geplanten Investitionen begründet und zu rechtfertigen? - ie lange bleibt das historische Zinstief?
- Wie gehen wir mit den freiwilligen Leistungen um?
- Ziehen die Rheder Bürger mit? Was ist ihnen zuzumuten?
Erste Orientierung fanden wir im Zukunftsprogramm Rhede 2020.
Ende 2012 haben wir alle hier in der Runde, uns mit guten Gründen, für diese Zukunftsvision entschieden.
- Starke Bildungslandschaft,
- Starke Innenstadt,
- Starkes Lebensgefühl
sind dort die markanten Schlagworte und es folgen sehr konkrete Ziele, die weiterhin für uns handlungsleitend sind.
Allerdings müssen wir Rheder schon ein wenig zusammenrücken, um die anstehenden Probleme zu lösen. Unser Gemeinsinn wird spürbar gefordert werden.
Der Bürgermeister wählte in seiner Hauhaltsvorstellung sehr klare Worte:
„Bei genauerem Hinsehen gibt es immer noch eine Vielzahl von Zeitgenossen, die festhalten wollen, an dem was wir haben. Mit Zufriedenheit hat dies allerdings nur wenig zu tun, eher mit
Beharrungsvermögen. Der Verzicht auf Leistungen beschert uns Widerstände. Das Festhalten an Gewohntem und Liebgewonnenem wird zum unumstößlichen Anspruch und der drohende Verlust von Annehmlichkeiten und bisherigen Selbstverständlichkeiten erzeugt eher neue Bedarfe und Unverständnis als die Einsicht darüber, dass ein weiter so zumindest in Frage gestellt werden darf.
All dies zeigt sich vor allem immer dann, wenn Veränderungen absehbar, beziehungsweise unausweichlich werden.“
Sein Kollege Lunemann aus Gelsenkirchen brachte es im
Wirtschaftsspiegel auf die einfache Formel:
„Wollen wir lernen, mit dem auszukommen, was wir haben, oder sollen wir das realisieren, was wir wollen.“
Unsere Situation ist damit klar umrissen. Wie geht man nun damit um?
Wir legten für uns fest, dass der Erhalt der Finanzkraft unserer Stadt oberste Priorität hat, vor allen weiteren Überlegungen und Planungen.
Wir wollen erreichen, dass trotz der Schulden sehr wohl noch finanzielle Spielräume für Zukunftsaufgaben erhalten bleiben. An erster Stelle sind hier die Investitionen im Schulzentrum zu nennen, die bei genauer Betrachtung hauptsächlich ein notwendiges Sanieren des Vorhandenen sind. Desweiteren ist der Erhalt bzw. die Anpassung unserer Infrastruktur für uns von zentraler Bedeutung.
Wir formulierten einen Antrag zur Einrichtung einer Schuldenbremse. Sie soll eine hilfreiche Unterstützung sein, um diese Ziele zu erreichen. Andere Kommunen praktizieren bereits eine Schuldenbremse mittels einer Nachhaltigkeitssatzung.
Eine solche Satzung zielt darauf ab,
- kurzfristig Denken zu überlisten,
- Versuchungen, schnelle Erfolge zu generieren, zu widerstehen,
- Verführungen, kurzfristige Wahlgeschenke zu gewähren, nicht zu erliegen,
- und sich verbindlich zu vereinbaren, wie man Schulden senken will.
Kurz gesagt, statisches Denken soll ein Ende finden! Von der Illusion, es könne so weitergehen wie bisher, werden wir uns verabschieden müssen.
Im HFA Ende Januar mussten wir erfahren, dass unser Anliegen nicht verstanden worden ist bzw. nicht gewollt wird.
Per Satzung festzulegen, dass etwaige Überschüsse sofort zur Schuldentilgung bzw. Schuldenverringerung einzusetzen sind, ist vielen Ratsmitgliedern wohl noch zu drastisch.
Unser Antrag wurde als Wahlkampfgag gewertet und abgelehnt.
Schade! Einzig die scheidende UWG konnte uns folgen.
Der Kämmerer hätt’s wohl getan, wenn er gedurft hätte.
Gravierende Veränderungen brauchen offensichtlich noch mehr Zeit, damit notwendige Einsichten reifen können.
Apropos Wahlkampf:
Finanzielle Forderungen zu stellen (siehe CDU-Antrag zu Wirtschaftwegen), ohne zu benennen, wie es finanziert werden soll, sollte ebenfalls der Vergangenheit angehören.
Auf Nachfrage einen vagen Deckungsvorschlag nachzuschieben, dass wenn die Kreisumlage evtl. gesenkt werden würde, dieses Geld dafür zu verwendet werden könnte, macht ihn auch nicht wirklich glaubwürdiger.
Inzwischen wissen wir, dass die Kreisumlage etwas gesenkt wird. Gut so, das verringert die Kreditaufnahme.
Zum CDU-Antrag, den Bauwilligen innerhalb eines Jahres einen Bauplatz zur Verfügung zu stellen.
Mit diesem Antrag wurde den Bauwilligen in Rhede suggeriert, es sei nur eine Frage des politischen Willens, jedem Bauwilligen – innerhalb eines Jahres – ein Baugrundstück zuteilen zu können.
Wir meinen, diesem Antrag zu folgen, wäre geradezu unverantwortlich. Es hätte weitreichende Folgen! Ich frage sie:
Wie gedenken sie, dem daraus resultierenden, steigenden Wertverfall der Altimmobilien zu begegnen?
Was sagen sie den alten Menschen, die darin wohnen?
Wie reagieren sie auf den wachsenden Leerstand?
Welche kostspieligen Anpassungen der Infrastruktur provozieren sie damit?
Wie argumentieren sie den zusätzlichen Landschaftverbauch?
Ihr Rezept ist einfach gestrickt:
Sie picken aus dem Zukunftsprogramm Rhede – mit seinen Zielsetzungen zum Gesamtkomplex“ Wohnen“ – isoliert und willkürlich den Teilaspekt „Baulandentwicklung“ heraus und versuchen, unter Vernachlässigung des Gesamten, mit einem Teilaspekt für sich Werbung zu machen.
Empfehlen sie sich so als verantwortungsvoll Handelnde?
Wir meinen nein, denn so definiert man Klientelpolitik, hier spärlich getarnt als Familienpolitik.
Nebenbei, gilt ihre Zustimmung zum Zukunftsprogramm noch?
Meine Nachfrage dazu im Bauausschuss ist noch unbeantwortet.
Wir fordern die Verwaltung nachdrücklich auf:
Machen sie in der bewährten Art weiter! Berücksichtigen sie weiterhin flexibel und aufmerksam alle Aspekte des Gesamtkomplexes „Wohnen“!
Dann werden wir sie nach Kräften unterstützen.
Fraktionssprecher Herr Epping wird nicht müde, die CDU-Fraktion als den wahren Garant für den sparsamen Umgang mit Steuergeld zu preisen.
Dann wäre es an der Zeit, den Bürgern zu erklären, warum der neue Rat, der bald gewählt werden wird, wieder diese Größe haben muss.
Wir hätten ihn gerne kleiner gemacht, um damit weit über 100T€ einzusparen. Die Demokratie würde keinen Schaden nehmen.
Ergo – manchmal kann weniger, wenn man das Gesamte im Blick behält, doch mehr sein.
Stellen sie sich vor, die Bürger hätten die von ihrer Fraktion vehement geforderte Osttangente seinerzeit nicht abgewählt. An den finanziellen Folgen würden wir noch viele Jahre tragen.
Dem FDP-Antrag auf moderate Erhöhung des Preises für Bauland haben wir zugestimmt. Der Baulandpreises ist ein politischer Preis und wäre auch nach der vorgeschlagenen Erhöhung noch weit vom Marktpreis entfernt geblieben.
Die Mehrheit jedoch möchte, dass das Defizit der städtischen Einrichtung kommunales Flächenmanagement Rhede, das KFR, auch weiterhin mit Steuern und Kassenkrediten ausgeglichen wird.
Warten wir ab, wie lange das so weitergeht.
Auch das Reizthema „Radschnellweg“ ist im Haushalt vertreten. Über den Mehrwert einer solchen Einrichtung lässt sich trefflich streiten. Wir befürworten ihn ausdrücklich.
Angesichts unserer Finanzlage sind wir uns im Rat allerdings einig:
Der Radschnellweg kommt nur, wenn das Land ihn auf seine Kosten baut und dauerhaft unterhält.
Während der Haushaltsberatungen fand sich auch eine Reihe von Gründen, die zu Optimismus Anlass bieten:
Die Verwaltung in Person des Kämmerers hat ein Programm zur Haushaltskonsolidierung 2013-2017 vorgelegt, das sämtliche Ausgaben aller Fachbereiche in den nächsten Jahren hinterfragen wird. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein.
Das Ehrenamt wird revitalisiert und bekommt zeitgemäße Organisationsstrukturen. Unsere Bürger bringen sich verstärkt ein, vielleicht weil sie verstanden haben, dass die Vollkasko-Mentalität keine Zukunft mehr hat.
Im Bauausschuss am 12. Februar machte es Freude zu sehen, wie sich je nach Thema andere Abstimmungskoalitionen bildeten. Mal Rot-Schwarz, mal Grün- Gelb, usw.
Das war nicht immer so.
Jeder kann mit jedem, die Themen stehen im Vordergrund, immer seltener das politische Lager. Das gilt besonders für die Zusammenarbeit im AK Innenstadt und im Aufsichtsrat unserer Stadtwerke.
Rhede hat sich in den vergangenen 20 Jahren, nachdem der CDU die jahrzehntealte Mehrheit verloren gegangen war, zum Vorteil verändert. Gute Ideen anderer Fraktionen, als die einer Mehrheitsfraktion, haben seitdem bessere Chancen verwirklicht zu werden.
Früher war am Montagabend nach den Fraktionssitzungen eigentlich schon abgemacht, was am Mittwoch in den Sitzungen beschlossen wurde.
Unserer Stadt hat dieser Meinungspluralismus gut getan.
Rhede hat im Umland zu Recht einen guten Ruf.
Rhede ist, so nicht nur unsere Wahrnehmung, liberaler und weltoffener geworden.
Die Bürger Rhedes haben es bei der Kommunalwahl im Mai in der Hand, diesen Kurs zu bestätigen.
Zum Ende meiner Rede möchte ich mich für die offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Verwaltung bedanken.
Die konstruktiven Gespräche, getragen von gegenseitiger Wertschätzung, haben uns bei der Meinungsbildung unterstützt und für einen umfassenden Überblick gesorgt.
Insbesondere gilt unser Dank dem Kämmerer und seinen Mitarbeitern.
Der vorgelegte Haushalt – mit den eingeflossenen Veränderungen – findet unsere Zustimmung.
„Rhede stark machen“ heißt es in unserem Zukunftsprogramm 2020.
Wir sehen keinen Grund, diesen Slogan zu streichen. Er gilt nun erst recht!
Trotz der verschlechterten finanziellen Rahmenbedingungen gibt es Gestaltungsspielräume. Lasst sie uns nutzen!
Unser Angebot dazu lautet:
Offenheit, Transparenz, Fairness und den Willen zum Dialog.
Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit.
Reinhold Störkmann
Es gilt das gesprochene Wort – wie üblich ganz ohne Tippfehler!
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